Wichtige Entscheidungen stehen an: EU-Frist für das Ende der Überfischung naht
Tagungen des EU-Fischereirats zu Fanggrenzen sind letzte Chance, um bedrohte Tiefsee-Arten zu schützen
Für alle, die sich mit der EU-Fischereipolitik befassen, ist es ein arbeitsreicher Herbst, , weil jetzt die Minister aller 28 Mitgliedstaaten um die mehr als 150 verschiedenen Fanggrenzen für 2019 ringen. Die Quoten werden bei drei Treffen des EU-Rats festgelegt, die von Mitte Oktober bis Mitte Dezember stattfinden. Die Entscheidungen des Rates sind immer zugleich ausschlaggebend für den Zustand der EU-Fischerei. In diesem Jahr, im Vorfeld der durch die Gemeinsame Fischereipolitik (GFP) gesetzten Frist zur Beendigung der Überfischung bis 2020, haben sie zusätzliches Gewicht.
Für die Minister ergibt sich eine besondere Dringlichkeit bei der Festlegung von Fangbeschränkungen für Tiefsee-Arten, denndieser Vorgang findet nur alle zwei Jahre statt. Weil der Rat diese Obergrenzen bei der Tagung im November sowohl für 2019 als auch für 2020 festlegen wird, ist dies die letzte Chance für die rechtzeitige und im Sinne der GFP rechtmäßige Beendigung der Überfischung von Tiefsee-Arten, von denen viele außerordentlich empfindlich sind.
Auch aufgrund weiterer Entwicklungen ist dies ein für den Rat besonders wichtiges Jahr. Ab dem nächsten Jahr müssen die Mitgliedstaaten die GFP-Anlandeverpflichtung vollständig umsetzen, der zufolge fast der gesamte gefangene Fisch angelandet werden muss, anstatt über Bord geworfen zu werden. Dies könnte bedeuten, dass der Rat für einige Arten höhere Fanggrenzen festlegt. Es könnten auch die letzten Treffen zur Festlegung von Fanggrenzen für Karmenu Vella (Kommissar für Umwelt, Maritime Angelegenheiten und Fischerei) sein, der in diesem Jahr sein Engagement für die Einhaltung der 2020-Frist zur Beendigung der Überfischung bekräftigt hat.
Was können wir von dieser ganz besonderen Zeit der Entscheidungen erwarten?
Zunächst einmal, dass Interessenvertreter sowie die Öffentlichkeit einen Großteil des Entscheidungsprozesses nicht mitbekommen werden. Die Zusammenkünfte sind bekanntermaßen undurchsichtig. Die meisten Verhandlungen finden hinter verschlossenen Türen und oft die ganze Nacht hindurch statt (Im letzten Jahr endete die Sitzung des Rats um ca. 6 Uhr 30 in der Frühe).
Die Vorschläge der Kommission zu den Fangmöglichkeiten werden vor der jeweiligen Sitzung des Rats veröffentlicht, aber selbst zu diesen Zahlen müssen alle an Hintergründen Interessierteneinige Nachforschungen anstrengen, bevor sie klare Antworten erhalten. Die Kommission wird keine Vorschläge für Bestände veröffentlichen, deren Bewirtschaftung gemeinsam mit Drittländern erfolgt, und diese können bis zur Hälfte aller Fangbeschränkungen ausmachen. Die ursprünglichen Vorschläge entwickeln sich oft mit den Forderungen der einzelnen Mitgliedstaaten für ihre jeweiligen Flotten weiter. Die sich ständig ändernden Vorschläge sind nicht sofort oder einfach zugänglich, weil sie in der Regel nicht veröffentlicht werden.
In ihrer Mitteilungvom Juni erklärte die Kommission, dass ihre Vorschläge auf wissenschaftlichen Empfehlungen beruhen werden. Was aber zu denken gibt, ist die gleichzeitige Ankündigung, dass sie bei bestimmten Beständen aufgrund anderer Faktoren über die empfohlenen Quoten hinausgehen könnte, und dies trotz des allseitigen Bedarfs an raschen Fortschritten bis 2020. Die Kommission hat auch darauf hingewiesen, dass sie bei wirtschaftlich weniger wichtigen Beständen oder solchen, über die es keine soliden Kenntnisse gibt, eventuell Quoten vorschlagen wird, die über die wissenschaftlich empfohlenen hinausgehen. Dies würde eine Abkehr vom überaus wichtigen Vorsorgeansatz bedeuten und dazu führen, dass Europa für verschiedene Bestände unterschiedliche Standards anwendet, was die Nachhaltigkeit der europäischen Fischereien gefährdet.
Es ist wahrscheinlich, dass die Minister jedes Ergebnis des Rats lauthals als „Fortschritt“ preisen werden. Und aus Gründen der Fairness sei erwähnt, dass für 2018 bei der Mehrheit der Arten die wissenschaftlichen Empfehlungen nicht überschritten wurden, was für den Rat ein Novum darstellte und einen signifikanten Erfolg für Kommissar Vella bedeutete. Eine Analyse der Pew Charitable Trusts zeigt aber, dass die Kommission 44 Prozent der Fanggrenzen für dieses Jahr immer noch zu hoch angesetzt hat. Die Minister müssen daher in ihren Entscheidungen für 2019 einen noch größeren Schritt hin zu einer nachhaltigen Fischerei wagen.
Wie die Minister im November Fanggrenzen für die Tiefseebestände festlegen, wird die Nagelprobe für die Ernsthaftigkeit ihrer Bemühungen sein, die Überfischung fristgerecht zu beenden. Die Verantwortlichen haben in den letzten zehn Jahren bereits viele Gelegenheiten verstreichen lassen, verantwortungsvolle Fanggrenzen festzulegen, und sich stattdessen für eine Überfischung der Tiefseebestände entschieden. Diese Arten haben längere Lebenszyklen als in geringeren Tiefen lebende Fische, wodurch Überfischung besonders schwerwiegende Auswirkungen hat. Darüber hinaus leben Tiefsee-Arten oft in unzureichend verstandenen Ökosystemen, die durch intensiven Fischereidruck erheblich geschädigt werden könnten.
Im November stehen die Glaubwürdigkeit und die Führungsstärke der Fischereiminister (sowie der EU-Institutionen) auf dem Spiel. Die Frage ist, ob die Minister bei ihren Zusammenkünften im Herbst ihre Verpflichtungen einhalten und Tiefsee-Arten so schützen werden, wie das EU-Recht es verlangt, und beim Festlegen der Fangquoten für alle anderen Arten dieselben wissenschaftsbasierten Standards anwenden.
Andrew Clayton leitet die Bemühungen von The Pew Charitable Trusts, die Überfischung in Nordwesteuropa zu beenden.