Ein Fischer in Polen, bevor er die Netze aus dem Wasser zieht. Trotz der rechtsverbindlichen Verpflichtung, die Überfischung bis spätestens 2020 zu beenden, legen die EU-Fischereiminister die Fanggrenzen weiterhin über den wissenschaftlichen Empfehlungen fest.
© Corey Arnold
Obwohl die politische Landschaft in Europa zurzeit einen historischen Umbruch erlebt, erweist sich eines der am ehesten lösbaren Probleme der Region – die Überfischung – als hartnäckig. In den letzten Jahren haben die europäischen Fischereiminister ungefähr die Hälfte der Fanggrenzen über den von Wissenschaftlern empfohlenen Mengen festgelegt. Auch dieses Jahr war keine Ausnahme. Dieses sich wiederholende Schema bedeutet nichts Gutes für die Verpflichtung, die Überfischung aller Fischbestände zu beenden, die von den Mitgliedstaaten der Europäischen Union vereinbart wurde. Die Staaten haben mit der Reform 2013 der Gemeinsamen Fischereipolitik (GFP) der EU das Versprechen gegeben, dieses Ziel bis zum Jahr 2020 erreicht zu haben.
Die rechtsverbindliche Verpflichtung war eine der am meisten gelobten Reformen für die GFP 2013. Durch diese Änderung waren die Fischereiminister daran gebunden, die Überfischung zu beenden – „ nach Möglichkeit bis 2015“ und bis spätestens 2020 – wobei „schrittweise zunehmende“ Anpassungen an die Fanggrenzen vorgenommen werden sollten.
In dieser Ausdrucksweise, die schließlich in EU-Recht kodifiziert war, spiegeln sich jahrzehntelange Verpflichtungen wider, die von Mitgliedstaaten durch Vereinbarungen der Vereinten Nationen eingegangen wurden. Die Fischereiminister der 28 EU-Mitgliedstaaten schlossen sich den Mitgliedern des EU-Parlaments (MdEP) und Beamten der Europäischen Kommission bei der Begrüßung der Revisionen der GFP an.
Doch vier Jahre später wird deutlich, dass die Minister nicht genügend Fortschritt gemacht haben. Nachdem die „lockerere“ Frist für 2015 schon längst verstrichen ist, haben die Minister nur noch drei Jahre zur Verfügung, um die strenge Frist zur Beendigung der Überfischung bis spätestens 2020 einzuhalten. Was haben die Minister also in diesem Jahr entschieden?
Ich habe bereits zuvor über die unnötigerweise undurchsichtigen und politisierten Prozesse geschrieben, mit denen die Minister in nächtlichen Sitzungen hinter verschlossenen Türen über Fanggrenzen entscheiden. Durch diese Prozesse ist es für die Öffentlichkeit unglaublich schwierig, die Zahlen zu verstehen oder zu begreifen, wie die Einigung erzielt wurde.
Ignorieren der Wissenschaft bei mehr als der Hälfte der Entscheidungen
Um diesen Prozess ein wenig verständlicher zu machen, hat The Pew Charitable Trusts kürzlich eine Analyse veröffentlicht, die die diesjährigen Entscheidungen zusammenfasst. Das Dokument ist das Ergebnis eines sorgfältigen Prozesses, durch den wir öffentlich zugängliche Informationen verwendeten, um die von den Minister vereinbarten Fanggrenzen mit wissenschaftlichen Empfehlungen zu vergleichen.
Die Ergebnisse sind entmutigend. Unsere Analyse ergab, dass insgesamt 54 Prozent der Fanggrenzen, die vom Rat der Fischereiminister festgelegt wurden, die maximalen, von Wissenschaftlern empfohlenen Fänge überschritten wurden. Bei vielen Beständen lagen Informationen über den höchstmöglichen Dauerertrag vor, der den entscheidenden Richtwert der GFP bei der Festlegung von Fanggrenzen darstellt. In diesen Fällen legen die Minister 45 Prozent der Fanggrenzen weiterhin über der wissenschaftlichen Empfehlung fest – d. h. es gab so gut wie keinen Fortschritt von den 46 Prozent für diese Fangbeschränkungen im letzten Jahr.
Dies ist sicher nicht die „schrittweise zunehmende“ Veränderung, die von der GFP verlangt wird. Und die fehlende Ambition bedeutet, dass den EU-Mitgliedstaaten die möglichen Gewinne durch eine Beendigung der Überfischung weiterhin entgehen. Diese werden auf jährlich über 80 Milliarden Dollar geschätzt. Wie schon in den letzten Jahren ließen die Europäische Kommission und zahlreiche Minister nach der diesjährigen Entscheidung optimistische Pressemitteilungen veröffentlichen, die eine selbstbewusste Rhetorik über den Fortschritt enthielt. Die Kluft zwischen diesen öffentlichen Aussagen und der Realität droht mit dem näher rückenden Jahr 2020 unüberbrückbar zu werden.
Die Minister müssen entschieden handeln, um die Überfischung zu beenden
Der Zyklus der Entscheidungsfindungen zur Festlegung der Fanggrenzen für das Jahr 2018 beginnt praktisch sofort. Die Kommission berichtet üblicherweise jedes Jahr im Juni über den Zustand der Fischbestände und über den Fortschritt bei der Realisierung nachhaltiger Fanggrenzen. Gemäß dem Vertrag von Lissabon haben MdEP keine offizielle Funktion zur Festlegung der jährlichen Fanggrenzen, aber sie haben eine entscheidende Verantwortung dafür, sicherzustellen, dass alle Rechtsverordnungen den Anforderungen der GFP entsprechen. MdEP haben zudem die offizielle Rolle, zusammen mit dem Rat Mehrjahrespläne zur Verwaltung der regionalen Fischbestände zu bestimmen. Mit diesen wichtigen Mitteln sollen kurzfristige Ziele, die Minister typischerweise in ihren jährlichen Entscheidungen über Fangbeschränkungen präsentieren, weiter in den Hintergrund rücken.
Die EU-Fischereiminister verzögern weiterhin den Fortschritt bei der Beendigung der Überfischung und verschieben wichtige Entscheidungen auf die Jahre kurz vor 2020. Es besteht noch Hoffnung, dass die EU die von der GFP festgelegten Ziele erreicht. Die nächsten Indikatoren dafür, ob dies passiert, werden sich in der Mitteilung der Kommission im Sommer finden, sowie bei den Verhandlungen des Mehrjahresplans für Fischbestände in der Nordsee. Pew fordert die Kommission, die MdEP und die Minister dazu auf, die richtigen Entscheidungen zu treffen, bevor die Zeit abläuft.
Andrew Clayton leitet die Bemühungen der Stiftung „The Pew Charitable Trusts“, die Überfischung in Nordwesteuropa zu beenden.