© Corey Arnold
Fischereimanagement in britischen Gewässern ist ein äußerst umstrittener Punkt beim Brexit. Im Vorfeld des Referendums führte die Debatte über die angemessene Fischereipolitik sogar zu einem „Seegefecht“ auf der Themse. Mittlerweile hat die britische Regierung den Austritt aus der Europäischen Union offiziell bekannt gegeben und plant nun die Zukunft außerhalb der EU. Politiker, Öffentlichkeit und alle Interessensgruppen im Bereich Fischerei widmen sich jetzt noch intensiver der Frage, welche Folgen der Brexit für die Fischereipolitik haben wird.
Bislang hat man sich vor allem mit einer Kernfrage beschäftigt: Wer sind die Gewinner und Verlierer bei einer möglichen Neugestaltung des Zugang zu den Gewässern und Fischbeständen? Dieser Punkt wird auch im Mittelpunkt weiterer Diskussionen stehen und dürften eng mit der zukünftigen Handelsbeziehung zwischen Großbritannien und der EU verflochten sein. Den Ausgang dieser Entwicklungen vorherzusagen, ist zum jetzigen Zeitpunkt unmöglich. Daher werde ich mich in diesem Beitrag auf andere Aspekte der britischen Fischereipolitik und deren mögliche Gestaltung nach dem Brexit konzentrieren.
Beginnen möchte ich mit den Äußerungen des britischen Fischereiministers George Eustice. Er hat sowohl vor als auch nach dem Referendum betont, dass Großbritannien in jedem Fall eine nachhaltige Fischereibewirtschaftung verfolgen müsse – mit Quoten zur Erzielung des höchstmöglichen Dauerertrags (MSY, Maximum Sustainable Yield). Beim MSY handelt es sich um einen Richtwert in der Fischereibewirtschaftung, um den höchstmöglichen Ertrag zu erzielen, ohne die langfristige Nachhaltigkeit der Fischbestände zu gefährden.
Eustice hat auch betont, dass sich Großbritannien dafür einsetzt, den verschwenderischen Rückwurf von Fischen zu beenden und die Bereitschaft zur internationalen Zusammenarbeit aufrechtzuerhalten. Diese Prinzipien spiegeln sich auch im Bericht des House of Lords zum Fischereimanagement nach dem Brexit wider. Dieser Bericht rät zudem zu einer „Verpflichtung“ der Minister, wissenschaftlichen Fangempfehlungen Folge zu leisten.
All das mag ja sehr gut klingen. Die Debatte rund um den Austritt Großbritanniens aus der EU und damit auch aus der europäischen Gemeinsamen Fischereipolitik (GFP) ist jedoch äußerst komplex und emotional. Viele stellen sich daher die Frage, welche Risiken nun für die britischen Fischbestände und für die Existenzgrundlagen der Fischer entstehen.
Am Rande dieser Diskussion sind mir ein paar Ideen zu Ohren gekommen, die unter Umständen besorgniserregend sein können. Ist Großbritannien nicht mehr an die GFP gebunden, könnten die unvermeidlichen Forderungen nach einer größeren „Flexibilität“ in der Fischereipolitik beispielsweise bald zu einer Überfischung einiger Bestände oder zur Beibehaltung der bereits stattfindenden Überfischung führen. Ein Kern der GFP sind Fristen, die auf internationalen Abkommen sowie den Zielen für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen beruhen. Viele dieser Übereinkommen sind bereits vor Jahrzehnten entstanden. Am bemerkenswertesten ist in diesem Zusammenhang die gemeinschaftliche Verpflichtung der Regierungen, die Überfischung bis spätestens 2020 zu beenden. Hält sich Großbritannien daran, könnten auch die wirtschaftlichen Vorteile zum Tragen kommen, die ein Ende der Überfischung mit sich bringt. Diese wurden unlängst auf weltweit 83 Milliarden US-Dollar pro Jahr geschätzt.
Ich habe auch gehört, dass eine Abschaffung der Quoten für zumindest einen Teil der britischen Fangflotten gefordert wird. Anstelle von Fanggrenzen sollen sich die Fischereimanager nach einem viel ungenaueren und unsichereren Bezugswert richten und festlegen, wie viele „Tage auf See“ einer sicheren Fangmenge entsprechen. Diese Methode hat allerdings schon im Mittelmeer versagt. Dort erfolgt nach wie vor eine erschreckende Überfischung – und die sozioökonomischen Auswirkungen dieses fehlgeleiteten Fischereimanagement sind weit spürbar. Die britischen Fischbestände derart aufs Spiel zu setzen, würde einen Rückschritt für das Land bedeuten, und das, nachdem dort bereits viele Verbesserungen im Fischereimanagement erreicht wurden.
Zudem hat Großbritannien mit dieser Methode bereits eigene Erfahrungen gesammelt hat. In den Jahren 2008 und 2009 wurde eine kleine Pilotstudie zum Ansatz des Fischereimanagements auf Basis von Seetagen durchgeführt. Dieses Projekt musste jedoch frühzeitig abgebrochen werden, da die Fangmengen für manche Fischarten nach Aufhebung der Quoten rasant in die Höhe schossen. Die Fischereimanager sind damals zu dem Schluss gekommen, dass eine Befischung ohne Reglementierung nach Fanggrenzen risikoreich ist. Eigentlich keine große Überraschung: Sogar die Kapitäne kleiner Fischkutter betonen immer wieder stolz, wie effizient sie bei der Befischung arbeiten. Für die Beamten in ihren Büros dürfte es daher schwierig sein, immer richtig zu beurteilen, wie viele „Tage“ einer nachhaltigen Fanggrenze entsprechen.
Man darf eines nicht vergessen: Noch vor ein paar Jahren war es Großbritannien, das gemeinsam mit seinen Bürgern bei der Überarbeitung der GFP innerhalb der EU eine Führungsrolle spielte – mit dem Ziel, die Fehler der Vergangenheit künftig zu vermeiden. Bis jetzt ist bei diesem Thema ein deutlicher Unterton herauszuhören: Auch nach dem Brexit möchte man das Richtige tun und einen Rückschritt des britischen Fischereimanagements vermeiden.
Würde man nach dem Brexit die Regeln des Fischereimanagements lockern und höhere Fangmengen zulassen, brächte das möglicherweise ein paar ertragreiche Monate für die Fischereiindustrie. Auf diesen kurzfristigen Gewinn würden aber die wirtschaftlichen Schattenseiten der Überfischung folgen. Und die Verhandlungen mit der EU über gemeinsam bewirtschaftete Bestände dürfte das sicherlich nicht vereinfachen.
Es ist von äußerster Wichtigkeit, dass die britischen Entscheidungsträger alle Möglichkeiten des Brexit nutzen, um eine moderne, nachhaltige und weltführende Fischereibewirtschaftung zu entwickeln. Auf jeden Fall sollten sie Abstand von riskanten politischen Strategien nehmen, die den Fortschritt vieler Jahre ungeschehen machen könnten – unabhängig davon, wer die Fische fängt.
Andrew Clayton leitet die Bemühungen der Stiftung „The Pew Charitable Trusts“, die Überfischung in Nordwesteuropa zu beenden.